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Kinder und Jugendliche

Das Frauenhaus ist immer auch ein Kinderschutzhaus

Wie ihre Mütter haben auch die Mädchen und Jungen, die zu uns ins Frauenhaus Calw kommen, unterschiedliche Formen von Gewalt erlebt, wurden Opfer oder Zeugen.

Die Kinder litten oft jahrelang unter der Gewaltatmosphäre zu Hause. Sie sahen und hörten wie ihr Vater die Mutter schlug, beschimpfte, würgte, erniedrigte, vergewaltigte, bloß stellte, einsperrte, uvm. Sie spürten den Zorn des Vaters, die eigene Angst, die der Mutter und der Geschwister. Sie wussten nicht, ob er sie töten würde. Viele fühlten sich verantwortlich für das, was geschah, wollten die Mutter schützen, waren ohnmächtig und fühlten sich allein gelassen. Viele der Mädchen und Jungen wurden selbst Opfer dieser Gewalttaten.

Derartige traumatische Erlebnisse bleiben bei den Kindern nicht ohne Folgen. Die Mädchen und Jungen leiden unter gesundheitlichen und psychischen Belastungen und sind in ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung beeinträchtigt. Häufig treten bei den Kindern psychosomatische Symptome wie Hautausschläge und Kopfschmerzen auf. Sie leiden unter Schlafstörungen und Albträumen. Viele der Kinder zeigen Verhaltensauffälligkeiten, sind aggressiv oder extrem zurückgezogen. Die meisten haben Konzentrationsschwierigkeiten und in Folge dessen Schulprobleme. Einige beginnen wieder einzunässen, kauen Nägel ab oder reißen sich selbst Haare aus. Noch Jahre später kämpfen die Mädchen und Jungen mit den Folgen der allgemeinen Entwicklungsverzögerungen und den langfristigen traumatischen Schädigungen.

Deshalb gibt es im Frauenhaus Calw nicht nur speziell für Kinder eingerichtete Räume sondern auch qualifizierte und erfahrene Mitarbeiterinnen, die den Mädchen und Jungen bedürfnisgerechte Betreuung, Freizeitangebote und parteiliche Unterstützung für ihre Interessen und Probleme anbieten.

Das Frauenhaus Calw ist ein geschützter, gewaltfreier Raum. Für die Mädchen und Jungen stehen kindgerechte Räume mit entsprechenden Spiel- und Beschäftigungsmaterialien zur Verfügung (ein Spielzimmer, ein Tobezimmer, ein Jugendzimmer sowie ein mit Spielgeräten ausgestatteter Außenbereich).

Jedes Kind hat eine Ansprechpartnerin, die ihm bei allen Fragen weiterhilft. Außerdem finden regelmäßig sozialpädagogische Gruppen- und Einzelangebote unterschiedlicher Art für die Kinder statt. Kreative, musikalische, rhythmische Offerten, Bewegungsangebote, handwerkliches Arbeiten, Rollenspiele, Konstruktionsmaterialien und vieles mehr bringen den Kindern nicht nur Freude. Es wird spielerisch auf die Erlebnisse der Kinder eingegangen. Die Mädchen und Jungen erhalten die Möglichkeit, ihre körperlichen und seelischen Verletzungen aufzuarbeiten. Auch die gemeinsame Entwicklung von Handlungsstrategien für bedrohliche Situationen nimmt hier Raum ein.

Das Angebot von Raum und Zeit für die Kinder, sowie die Anerkennung der Mädchen und Jungen als eigenständige Persönlichkeiten und die Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse und Interessen durch sensible und weitergebildete Mitarbeiterinnen, deren Grundprinzip Schutz und Stärkung der Kinder ist, wirken den Entwicklungsverzögerungen entgegen. Auch das mangelnde Selbstwertgefühl, die Verlassensängste und Zukunftssorgen werden so bekämpft.

Die Kinder können gangbare Wege zur Konfliktlösung kennen lernen und erlernen, wie Freundschaften geknüpft und gehalten werden. So bekommen die Kinder die Möglichkeit, in ein neues gewaltfreies Leben zu starten. Bei den Angeboten werden auch geschlechtsbezogene Perspektiven berücksichtigt und traditionelle Rollenzuschreibungen hinterfragt.

Ein großes Thema bei den Mädchen und Jungen ist auch der schmerzliche Verlust ihrer gewohnten Umgebung und die Trennung von Geschwistern, Haustieren und Spielkameraden. Den Standort des Frauenhauses dürfen sie aus Sicherheitsgründen nicht verraten, das macht den Kindern Druck („Was soll ich meinen Freunden in der neuen Schule sagen, wo ich wohne?“). ebenso die Tatsache, dass sie keinen Besuch im Frauenhaus empfangen dürfen. Diese und weitere Fragen können in der Betreuungszeit besprochen und gelöst werden.

Bei Bedarf bieten wir regelmäßige Hausaufgaben-betreuung an. Wiederholtes Miterleben von Partnergewalt untergräbt die Lernbereitschaft genauso wie die Konzentrationsfähigkeit. Die schulische Laufbahn und damit der weitere Werdegang werden negativ beeinflusst. Durch unser Angebot und die intensive Kooperation zu allen Schularten versuchen wir, den Kindern Spaß am Lernen zu vermitteln und die Basis für positive Schulerlebnisse zu schaffen.

Auch die Kontakte zu Kindergarten, Tagesstätte, Musikvereinen und Sportgruppen usw. gewährleisten, dass die Jungen und Mädchen optimal gefördert werden und sich entsprechend ihren Interessen entfalten können. Dazu gehört auch die eventuelle Weitervermittlung an KinderärztInnen, LogopädInnen, ErgotherapeutInnen und die Kooperation mit Kinderschutzbund und PsychologInnen.

So oft wie möglich, besonders aber in den Ferienzeiten bieten wir erlebnisorientierte Angebote innerhalb und außerhalb des Hauses an. Dazu gehören Ausflüge in den Wald, zu einer Burg, ins Schwimmbad usw. Aber auch Besuche der örtlichen Bibliothek, eines Wildparks, von Spielplätzen, des Skaterparks und weiteren Freizeiteinrichtungen gehören zum Programm. Die Kinder können so ein Stück Lebensfreude zurück gewinnen und lernen die Infrastruktur ihrer jetzigen Umgebung kennen.

Durch das ergänzende Angebot des heilpädagogischen Reitens erhalten die von häuslicher Gewalt betroffenen Kinder im Frauenhaus Calw die Möglichkeit, ihre körperliche und seelische Balance (wieder) zu finden. Die Mädchen und Jungen können im Wechsel wöchentlich an diesem Angebot teilnehmen. Es wird durch Spenden und aus Stiftungsgeldern finanziert.

Den Mädchen und Jungen wird nicht nur Lebenslust und Freude vermittelt. Im Vordergrund steht die individuelle Förderung durch das Medium Pferd. Dazu gehören der Abbau von Ängsten, die Förderung des Selbstwertgefühls, der Aufbau von Verantwortungsbewusstsein, die Stärkung des Durchsetzungsvermögens, die Entwicklung und Erprobung von Verhaltensalternativen, die Schulung des Wahrnehmungsvermögens, uvm.

Einmal wöchentlich findet eine themenorientierte Mütterversammlung statt. Die Mütter erhalten Unter-stützung und Beratung in Erziehungsfragen, erfahren eine Stärkung ihrer Elternkompetenzen, erhalten Informationen zum aktuellen Sorge- und Umgangsrecht. Die Mütter sollen in die Lage versetzt werden, die Situation als Alleinerziehende anzunehmen und auszufüllen.

Zusätzlich findet zu diesen und weiteren persönlichen Themen Einzelberatung mit der jeweiligen Mutter statt. So kann eine individuelle und konkrete Hilfestellung gewährleistet werden. Im Bedarfsfall führen wir auch Gespräche mit Mutter und Kind gemeinsam.